Installation view, Malte Masemann, Gated community, 2014, Galerie Tobias Naehring

Installation view

Installation view, Malte Masemann, Gated community, 2014, Galerie Tobias Naehring

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Installation view, Malte Masemann, Gated community, 2014, Galerie Tobias Naehring

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Installation view, Malte Masemann, Gated community, 2014, Galerie Tobias Naehring

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Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Das Magazin’, 2014, Oil on canvas, 160 × 120 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Der Kiosk’, 2014, Oil on canvas, 160 × 120 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Der Dilletant’, 2014, Oil on canvas, 140 × 120 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Der stille Garten’, 2014, Oil on canvas, 180 × 240 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Die Mägde II’, 2014, Oil on canvas, 150 × 200 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Portrait A. Leverkühn’, 2014, Oil on canvas, 80 × 60 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

Untitled, 2014, Oil on canvas, 40 × 30 cm

Malte Masemann, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

‘Frauenportrait’, 2013, Oil on canvas, 140 × 100 cm

Gated Community

In medias res: Masemanns Bilder sind Gated Communities, sie sind auf Leinwand gebannte Räume, deren Inbesitznahme von einer vermeintlich privilegierten, wohlhabenden Gesellschaftsschicht beansprucht wird. Auf den ersten Blick zeichnen Masemanns Figurenarrangements das Bild einer Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, deren Leben sich anhand von Faktoren sozialer und räumlicher Distinktion charakterisieren lässt.

Im Zeitalter der Industrialisierung vom Bedürfnis nach einem Leben abseits des Lärms, abseits der Verschmutzung sowie abseits der Arbeiterklasse getrieben, gewinnt die Verlagerung des Lebensmittelpunktes aus der Stadt heraus für das wohlhabende Bürgertum enorm an Attraktivität. Hinsichtlich ihrer Funktion lassen sich durchaus Parallelen zwischen englischen Landsitzen sowie amerikanischen Suburbs des 19. Jahrhunderts und heutigen modernen Gated Communities ziehen, die in den letzten Jahrzehnten vor allem in nord- und südamerikanischen Metropolen zu privilegierten Oasen menschlichen Zusammenlebens avancierten: Durch die gezielte Exklusion bestimmter Bevölkerungsschichten wird die Konstruktion eines sozialen Raumgefüges etabliert, das als Garant für Sicherheit, Zugehörigkeit, Wohlstand, Exklusivität und nicht zuletzt für die Verkörperung eines gewissen Schönheitsideals dienen soll.

Masemanns Bildfindungen können als Mikrokosmos solcher Gesellschaftsstrukturen verstanden werden: In ihrer exponierten Darstellung treten die anhand ihrer Kleidung einer privilegierten Oberschicht zuzurechnenden Figuren bzw. Personengruppen dem Betrachter als Solitäre gegenüber, die ihm den Zugang zu ihrer abgeschotteten Welt zunächst zu verwehren scheinen.

Auf den zweiten Blick lässt sich eine Diskrepanz zwischen dem auf Wohlstand begründeten, vermeintlichen Gesellschaftsideal und Masemanns tatsächlich auf die Leinwand projizierten Personenarrangements beobachten. Es ist offensichtlich, dass wir uns mit einer Scheinarchitektur konfrontiert sehen, die es vermag, dem unaufmerksamen Betrachter eine heile Welt vorzugaukeln. Dabei liegt der Schlüssel zum Blick hinter die Fassade bereits im formalen Entstehungsprozess der Gemälde Masemanns begründet.
Entgrenzung
Als kompositorische Grundlage dienen Fotografien des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die dem Künstler im Internet als schier grenzenlosem Ressourcenpool zur Verfügung stehen. Masemann belässt es nicht bei der stupiden Übertragung – und somit der Erstellung einer auf die Leinwand gebannten Kopie – der Fotografie; durch malerische Aneignung bricht er die Ordnungsgrenzen des starren Mediums der Fotografie auf: Er positioniert Figurengruppen neu, er verändert Blickachsen des Bildpersonals, er setzt Leerstellen, die sich im Aussparen von Gesichtern und Raum definierender Elemente bemerkbar machen. Das Aufbrechen vorgegebener Ordnungssysteme manifestiert sich somit in der Entstehung bewusst provozierter ambivalenter Sinnstrukturen: Selbst innerhalb vermeintlich identitätsstiftender Gruppenarrangements wirken Masemanns Figuren isoliert, sie zeigen physische Präsenz, im Geiste sind sie jedoch offensichtlich einer Welt entrückt, deren Abgründe sich nur erahnen lassen.

Abgrenzung
Hinsichtlich der malerischen Ausarbeitung spielt Masemann mit der Gegenüberstellung voneinander durch Konturen – als visuell wahrnehmbarer Grenze – abgetrennter Flächen, deren Gestaltung zwischen den Polen abstrakter Farbflächen und realistischer Malerei changiert. Mit heller pastelliger Farbpalette ausgearbeitete Hautpartien wie Gesichter und Hände treffen dabei auf vorwiegend die Kleidung und den Hintergrund definierende Flächen tiefen Schwarzes und greller intensiver Farbigkeit. Vor allem bei der Überlappung unterschiedlicher Kleidungsstücke wird eine teils irritierende Wahrnehmung generiert: Die Farbflächen bleiben anhand starker Hell-Dunkel- Kontraste zwar klar voneinander abgegrenzt; gleichwohl lassen sich beinahe kubistische Züge erkennen, die durch Auflösung der Form eine präzise Differenzierung der Gegenstandsgrenzen unmöglich machen.
Um sich von der fotografischen Vorlage abzugrenzen, bedient sich Masemann eines weiteren malerischen Mittels: Er unterzieht seine Gemälde einer additiven Subtraktion, indem durch fragmentarisches Auftragen von Farbe die Beschädigung eines Leinwandgemäldes fingiert und der Eindruck eines maroden Erhaltungszustandes evoziert wird. Dem Betrachter eröffnet sich der Blick auf eine Gesellschaft, deren Fassade im Prozess der Auflösung begriffen zu sein scheint.

Ausgrenzung
Über die kompositorische und malerische Anlage der Gemälde wird dem Betrachter Zugang zu Fragen nach gesellschaftlichen Normen und Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens sowie gleichzeitig zu deren Infragestellung gewährt – Themen, die sich wie ein roter Faden durch Masemanns Bilderwelten der letzten Jahre ziehen. Masemann konfrontiert uns mit der voyeuristischen Zurschaustellung einer Gated Community, die sich weniger durch ihre vermeintlich privilegierte Stellung innerhalb der Gesellschaft hervorhebt als vielmehr sich selbst durch ihre eigenen Unzulänglichkeiten ausgrenzt. Dabei ist diese Gated Community keineswegs als ein auf die Zeit des 19. Jahrhunderts beschränktes Spiegelbild sowie auf die physischen Grenzen des Bildträgers reduziertes, hermetisch abgeriegeltes System einer Gesellschaft zu verstehen, denn: Nicht zuletzt ist es der Betrachter, den Masemann adressiert.

Johannes Gebhardt, 2014