Installation view: Laura Link 'Raus aus dem Paradies' , January 8 – February 12, 2022, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

Laura Link, 'Raus aus dem Paradies', 2020 – 21, Oil and lacquer on canvas, 500 × 500 cm

Installation view: Laura Link 'Raus aus dem Paradies' , January 8 – February 12, 2022, Galerie Tobias Naehring, Leipzig

Laura Link, 'Badass nails', 2018, Oil and lacquer on canvas, 300 × 400 cm

Laura Link, 'Badass nails', 2018, Oil and lacquer on canvas, 300 × 400 cm

Laura Link, 'Neavus flammmerus Gigantus III', 2015, Oil and lacquer on canvas, 170 × 120 cm

Laura Link, 'Neavus flammmerus Gigantus III', 2015, Oil on canvas, 170 × 120 cm

(English version below) 

Laura Links erste Einzelausstellung in der Galerie Tobias Naehring in Leipzig trägt den Titel Raus aus dem Paradies und verweist auf das gleichnamige Hauptwerk der Ausstellung. Ein kolossales Gemälde stellt Link vor; ein Werk, das über sechs Monate hinweg gemalt wurde. Zu sehen sind vereinzelte Bilder, die sich zu einer Komposition vereinen. Dabei weiß die Künstlerin sich von den imposanten Bildkompositionen barocker Malerei zu emanzipieren und zeigt gekonnt, wie sich Bilder in Bildern aufbauen, gar zu einer Stellung formieren. Es sind collagierte Sujets oder Images, die sich zu einem Ganzen fügen; eine malerische Formation, die doch nicht recht zusammengehören will – oder doch?

Die Künstlerin zeigt uns Lippen, Zahnfleisch und Zähne, hochgezüchtete Bullen, Krabben, Strelizien und Agaven oder essbare Gummi-Würmer, die neben verhornten Fußnägeln eines alten Menschenfußes standhalten müssen und scheint uns dabei etwas Gewaltiges vor Augen zu führen. Etwas grotesk oder morbide erscheinen plötzlich die uns doch bereits vertrauten, wenn auch jungen Bildsujets. Was zunächst wirkt wie ästhetische Objekte, die einem zeitgenössischen hedonistischen Lebensstil entspringen und sich dabei einer steten Optimierung unterziehen, sind tatsächlich Objekte, deren malerische Inszenierung sie dazu befähigt, sich ihrem eigenen Wesen zu widersetzen und sich somit als kritische Gegenstände beweisen können. Die heutige, digitale Zeit produziert banale Bilder, die immer flacher zu werden scheinen. Jene aufkommende Zweidimensionalität wird in Links Malerei pointiert entrückt und gebrochen. Dabei erscheinen ihre Scherben zum Greifen nahe.

Malerisch eindrucksvoll schweift der Blick von einem Bild zum Nächsten, sucht nach einem Zusammenhang der visuellen Informationen oder nach dem Ursprung der Faszination jener sich vermittelnden, werkimmanenten Dissonanz. Nach und nach wird das Interesse der Künstlerin deutlich, das sich auch in der menschlichen Kultivierung und ihren ästhetischen Verschiebungen verbildlicht. So führt beispielsweise die Domestizierung von Pflanzen und Tieren über die Zeit und durch das Einwirken verschiedener Kräfte zu sogenannten Merkmalsänderungen der Lebewesen. Anatomische Veränderungen, Mutationen sowie veränderte Verhaltensweisen werden als Domestikationseffekte bezeichnet. Jene ästhetischen Effekte nutzt Link, auch in Anbetracht des Menschen, um über die reziproken Affekte der Betrachtung hinaus Fragen nach Zeit, Schönheit und Brutalität zu stellen und verdeutlicht dabei ihr Vertrauen in die Kraft der Malerei. Zugleich hinterfragt sie die visuelle Erscheinung und zweckmäßige Repräsentation der Bilder per se, ohne dabei malerische Leerstellen und heterarchische Gesten zu vergessen. In eigener Manier gelingt es Laura Link aufzuzeigen, wie die Perversion des vom Menschen Gemachten oftmals einem gewissen Pragmatismus unterliegt. Dem diametral steht der Ekel gegenüber, dessen Brutalität die Künstlerin zärtlich zu manifestieren weiß. Diese Mehrdeutigkeiten kreisen um die inhärente Klarheit des Abgebildeten und scheinen damit einen Denkraum ohne Geländer zu ermöglichen.

– Text von Luisa Schlotterbeck

Laura Link’s first solo exhibition at Galerie Tobias Naehring in Leipzig is titled Raus aus dem Paradies (Out of Paradise), referring to the exhibition’s main work of the same name. A colossal painting is presented by Link; a work painted over six months. On view are isolated images that unite to form a composition. In doing so, the artist knows how to emancipate herself from the imposing pictorial compositions of baroque painting and skillfully shows how images build up in pictures, even format them into a position. They are collaged subjects or images that fit together to form a whole; a painterly formation that does not quite want to belong together – or does it?

The artist shows us lips, gums and teeth, high-bred bulls, crabs, strelizias and agaves or edible gummy worms that have to hold their own next to horny toenails of an old man’s foot, and in the process seems to present us with something enormous. Something grotesque or morbid suddenly appears, the us nevertheless already familiar, even if young image subjects. What at first appear to be aesthetic objects that spring from a contemporary hedonistic lifestyle and thereby undergo constant optimization are in fact objects whose painterly staging enables them to resist their own nature and thus prove themselves as critical objects. Today’s digital age produces banal images that seem to become increasingly flat. This emerging two-dimensionality is pointedly deconstructed and broken in Link’s painting. In the process, their shards appear close enough to touch.

Impressive in painting, the gaze wanders from one image to the next, searching for a coherence of visual information or for the origin of the fascination of that mediating dissonance immanent in the work. Gradually, the artist’s interest becomes clear, which is also visualized in human cultivation and its aesthetic shifts. For example, the domestication of plants and animals over time and through the action of various forces leads to so-called characteristic changes in living beings. Anatomical changes, mutations, as well as altered behaviors are referred to as domestication effects. Link uses those aesthetic effects, also in consideration of humans, to ask questions about time, beauty, and brutality beyond the reciprocal affects of observation, illustrating her trust in the power of painting. At the same time, she questions the visual appearance and purposeful representation of images per se, without forgetting painterly voids and heterarchical gestures. In her own manner, Laura Link succeeds in showing how the perversion of the man-made is often subject to a certain pragmatism. Diametrically opposed to this is disgust, the brutality of which the artist knows how to manifest tenderly. These ambiguities revolve around the inherent clarity of what is depicted and thus seem to allow for a space of thought without railings.

– text by Luisa Schlotterbeck 

Die Entstehung des Werks ‚Raus aus dem Paradies‘ wurde durch ein Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen ermöglicht.