Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik, Untitled, 2021, Ink on paper, 77,7 × 52,6 cm

Ronny Bulik
FULL STEP DROP DEEE

mauer, Gereonswall 110, Köln

(English version below)

Eine zur Faust geballte Hand, die in ihrem Ausdruck von Stärke und Überzeugung an die Faust als Symbol sozialer Bewegungen erinnert, betritt die Szene. Die Hand, die eben noch so fest verschlossen war, öffnet sich und gibt ihren Inhalt preis: ein Stein in Form eines Herzes. Dabei treibt technoide Musik die Bilder voran.

Diese eröffnende Szene der Videoarbeit HERDtZ 1 (2015–17) des bildendenden Künstlers Ronny Bulik (*1986), ist bezeichnend für dessen komplexe Arrangements und Kompositionen, die sich zu verstrebten Gebilden zusammensetzen und ein intensives Wechselspiel der Wahrnehmungen evozieren. Die Arbeit, die Teil einer langfristig angelegten Serie ist, baut eine Spannung sich kontrastierender Komponenten, die in einer Beziehung in Dialog treten, auf: harte und kalte architektonische Formen und Materialien werden natürlichen und organischen Strukturen in schnellen Schnitten entgegengesetzt. Dabei schreibt Bulik ihnen keine Werte zu, sondern zeigt in subjektiven Eindrücken das Porträt einer ostdeutschen Vorstadtsiedlung, in der der Künstler aufgewachsen ist. Die wenigen anonymen Bewohner der Siedlung, die in der Arbeit vorkommen, bleiben entweder schemenhaft, verschwimmen in überbelichteten Bildern, die metaphysisch anmuten, oder werden nur fragmentarisch dargestellt. Die im Nachhinein digital so stark vergrößerten Bilder lassen im Sinne eines distanzierten Details diffuse, rauschende Bilder entstehen. Durch das Betreten des Bereiches der Unschärfe löst HERDtZ 1 ein Gefühl der Ohnmacht und des Kontrollverlustes aus, durch das ein hypnotischer Sog aufgebaut wird, dessen Anziehungskraft sich der Betrachter nur schwer entziehen kann. Konfrontiert werden die verschleierten Bilder mit klareren Szenen eines Protagonisten, in dessen Rolle der Betrachter Zeuge der Einnahme der Wohnsiedlung durch die Imitation kindlicher Spiele oder der laufenden Verortung der Umgebung wird.

Mittels Buliks eindringlicher Bildfindung insistiert er den Betrachter zu dem Erschaffen eines subjektiven Narratives, das ihn wie eine Welle von Assoziationen überkommt, ohne dass dabei eine bewusste Verortung und Einordnung des Gesehenen von Nöten ist. Bulik gibt die Grundstimmung und Intensität dieser Erzählung vor: In gewaltigen Bildsequenzen, die in einen düsteren Schleier gehüllt sind, komponiert er Welten, die trotz ihres mitunter harten und abweisenden Ausdrucks Emotionalität und Sinnlichkeit zulassen. Das poetische Spiel mit Gegensätzen, Symboliken und Assoziationen steigert sich bis zum Finale, bei dem die Szenerie aus sich heraus zu explodieren scheint, als sei der Druck, der sich im Laufe der Arbeit aufgebaut hat, zu groß. Schlagartig entlädt sich die aufgestaute, erarbeitete Energie und findet ihre Ruhe in einem hellen Vakuum, in dem das Gesehene noch lange nachklingt.

In HERDtZ 2 (2015–18) führt Bulik das Erfassen des sozialen, architektonischen und natürlichen Umfelds fort. Das vergrößerte Bild als zentrales stilistisches Leitmotiv in der ersten Arbeit dieser Serie wird ersetzt durch die Überlagerung von Bildelementen. In einem austarierten Spiel mit Symboliken wie dem Herbststurm, der Blätter und Gegenstände umherweht; dem jungen Mann, der sich die Haare abrasiert; und immer wieder auftauchenden verbindenden infrastrukturellen Elementen wie Rohre und Abflüsse, die dann letztendlich als sprudelnde Quelle einer neuen oder alten Ideologie gelesen werden können, erzeugt Bulik eine Stimmung des Aufbruchs und des Neuanfangs. Dabei bleibt der düstere Charakter nicht aus: Der Mann, der sich den Kopf schert, kann nicht nur als Neuanfang, sondern auch als radikalisierende Geste gelesen werden. Im Mittelpunkt stehen menschliche Interaktionen, die sich überschneiden und neue organische Figurationen bilden. Lust, Aggression und Ektase steigern sich in einem treibenden Rhythmus, bis sie in explodierenden Bierflaschen ihren Höhepunkt finden. Erneut gelingt Bulik eine feinfühlige und präzise Fusion aus strengen und sanften Bildern, die den Betrachter in seine eigentümlichen Bildwelten verführen und lange nicht loslassen.

Zu den Videoarbeiten koexistiert eine Fotografie Buliks, bei der das Prinzip der Überlagerung aus HERDtZ 2 extrahiert und singulär behandelt wird. In Figur 1 (2020) lässt er menschliche Konnexionen additiv überschneiden. Sie erfordern einen Spieler und Gegenspieler, um den Prozess der Findung neuer Gesten des Zusammenseins, der Annäherung, Entfernung und Verschränkung zu definieren. Figur 1 ist Teil einer installativen Fotoarbeit, die im März 2022 in der Galerie Tobias Naehring in Leipzig zu sehen sein wird.

Komplementiert wird die Ausstellung, dessen Titel auf die Verschiebung einer Gitarrentonart um eine Tonart tiefer verweist und so zu einer Verlagerung der Stimmung führt, die ebenfalls symptomatisch für die charakteristischen melancholischen Stimmungen Buliks Arbeiten ist, durch neue Zeichnungen des Künstlers. In einem gestischen Prozess, der in einem schroffen und harschen Duktus Ausdruck findet, manifestiert Bulik abstrakte Linien und Formen, die sich oft an der Grenze der Gegenständlichkeit bewegen, in roter und schwarzer Tusche. Bulik überführt das Prinzip der Überlagerungen, dem er sich schon fotografisch und in einer Videoarbeit gewidmet hat, in die Zeichnung. Die von Rhythmus und choreografischen Zyklen geprägten Zeichnungen erinnern an audiovisuelle Konstrukte elektronischer Musik, die mit ihren klaren, oft harten und düsteren Sounds immer wieder in Buliks Werk vorkommen. Er konserviert den Prozess und die Mechaniken der Musik, die in unterschiedlich intensiven Ballungen einen bildlichen Rhythmus symbolisieren und aus dem immer wieder Gestalten und Figuren herauszuwachsen scheinen, die dann wieder, getrieben vom rhythmisierten intensiven Duktus Buliks, in nebulösen Bildwolken verschwinden.

— Leo Wedepohl

 

A hand clenched into a fist enters the scene, its expression of strength and conviction reminiscent of the fist symbolic for social movements. The hand, closed so tightly just a moment ago, opens and reveals its contents: a heart-shaped stone. Techno music thumps, propelling the images forward.
The opening scene of HERDtZ 1 (2015–17), a video work by visual artist Ronny Bulik (*1986), is characteristic of the artist’s complex arrangements and compositions with their interlocking structures and ability to evoke an intense interplay of perceptions.

The work, which is part of a long-term series, builds up tension as contrasting components enter a dialog with each other: hard, cold architectural forms and materials are juxtaposed with natural, organic structures in a series of rapid cuts. Without ascribing these with value, Bulik presents us with a portrait of an East German residential suburb, where the artist grew up in the form of subjective impressions.

The few anonymous residents of the housing development appear either as shadowy figures – blurred, overexposed images, which seem almost metaphysical, or are depicted in a fragmentary fashion. The imagery, digitally magnified, gives rise to diffuse, noisy visuals that appear as distant details. As we enter this realm of blur, HERDtZ 1 triggers a feeling of powerlessness and loss of control, generating a hypnotic pull that is difficult for us to resist.

This obscured imagery is juxtaposed with clearer scenes of a protagonist. Through his actions we witness the invasion of a residential development: in his imitation of childish games or the ongoing localization of his surroundings.
Bulik’s insistent search for imagery prompts us to create our own subjective narrative, thus exposing us to a wave of associations, without the need to consciously locate and classify what we see. Bulik determines the underlying mood and intensity of this narrative: with powerful image sequences enshrouded in a gloomy haze he composes a world, which at times seems harsh and hostile, yet leaves room for emotion and sensuality.

Towards the finale, this poetic play with contrasts, symbolism and associations intensifies and the scene seems to explode from within, as if the pressure accumulating over the course of the piece proved too great. Abruptly, the accumulated, pent-up energy is released and comes to rest in a bright vacuum, where the images we’ve seen continue to resonate.

In HERDtZ 2 (2015–18) Bulik persists his investigation of social, architectural, and natural environments. The stylistic leitmotif of zoomed-in imagery from the first work of the series has been replaced with the superimposition of visual elements. Here, Bulik balances symbolic imagery: an autumn storm tossing up leaves and objects; a young man shaving off his hair; and recurring, infrastructural elements such as pipes and drains – all ultimately interpretable as the gushing wellspring of new or old ideology. Bulik evokes an atmosphere of departure and new beginnings, while maintaining a gritty quality: The man shaving his head can be read as a new beginning, but also as an act of radicalization. The work focuses on human interactions – as they overlap and form new organic figurations. Lust, aggression and ecstasy escalate in a driving rhythm and climax as exploding beer bottles. Again, Bulik succeeds in creating a sensitive, precise fusion of austere and tender imagery that draws us into his singular visual world, and doesn’t let go.

A photograph by Bulik coexists with the video work and singularly extracts and processes the principle of superimposition in HERDtZ 2. In Figur 1 (2020), he allows for additive overlaps of human connections. A player and counterplayer is needed to define the process of forging new gestures of togetherness, approximation, distancing, and intertwining. Figur 1 is part of a photographic installation that will be on view at Tobias Naehring Gallery in Leipzig in March 2022.

The exhibition, whose title refers to a guitar key shifting down a key and creating a shift in tone that is symptomatic of the characteristically melancholic mood of Bulik’s work, features new drawings by the artist. In a gestural process, with a stark, harsh ductus in red and black ink, Bulik manifests abstract lines and forms that often border on the figurative. Bulik transfers the principle of superimposition, featured in one photographic and one video work, to drawing. The drawings are characterized by rhythmic and choreographic sequences and reminiscent of audiovisual constructs of electronic music and its clear, often harsh and somber sounds, which are recurring elements in Bulik’s work. The drawings preserve the process and mechanics of the music, which symbolize a visual rhythm in varying degrees of intensity. From them, figures repeatedly seem to emerge, only to disappear again, propelled by Bulik’s rhythmically intense ductus, into nebulous clouds of imagery.

— Leo Wedepohl, translated by Anne Fellner