Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Sarah Księska, 'Entfremdung', 2021, Oil on aluminum, 74 × 104 cm

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Sarah Księska, 'Impuls', 2021, Oil on aluminum, 74 × 104 cm

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Sarah Księska, 'Nebenform', 2021, Oil on aluminum, 110 × 75 cm

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Sarah Księska, 'Präparat', 2021, Oil on aluminum, 110 × 75 cm

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

Sarah Księska, 'Globusgefühl', 2021, Oil on aluminum, 59 × 45 cm

Sarah Księska, 'Versprechen', 2021, Oil on aluminum, 35 × 30 cm

Sarah Księska, 'Verwirklichung', 2021, Oil on aluminum, 35 × 30 cm

Installation view: Sarah Księska, ‘Kuriosum’, Galerie Tobias Naehring, 2021

(English version below)

Während die Figur „Der Gläserne Mensch“ einst als anatomisches Studienobjekt diente, ist sie heute auch zu einer Metapher für das Thema der Durchleuchtung im Hinblick auf Algorithmen und die Anwendung von Data-Mining-Verfahren geworden. Kennt uns etwa jemand besser als wir uns selbst? Die Frage kreist um das Nachdenken über das Spannungsverhältnis von Körper und Geist sowie über die Abgrenzung dieser Entitäten, die nie präzise bestimmt werden kann. Inmitten dieses Dilemmas positioniert Sarah Ksieska ihre jüngsten Malereien, mit denen sie die entfremdete Beziehung zwischen den internen und den externen Realitäten zu durchleuchten versucht. Hierfür dient ihr der gläserne beziehungsweise der transparente Körper als Sinnbild und Leitmotiv zugleich. Die rätselhaften Szenen zeigen hybride Protagonist_innen mit humanoiden Zügen, die sich als Reflexionen über geistige und materialistische Daseinsformen in inneren Körperwelten und surrealen Landschaften bewegen. 

Sarah Ksieskas Arbeiten vermitteln zwischen der betrachtenden Außenwelt und dem nach innen gerichtetem Blick. „Verwirklichung“ zeigt ein gläsernes Pferd in einer goldschimmernden Umgebung vor tiefschwarzem Hintergrund, das seinen eigenen Schatten betrachtet, dessen Erscheinung jedoch einen fremden Umriss beschreibt. Diesem Moment der unheimlichen Selbstbegegnung folgen weitere wunderliche Darstellungen – „Versprechen“, die Nahaufnahme eines grotesken Wesens, das ein Herz in den Händen hält, und „Globusgefühl“, das enigmatische Frauenporträt in Grün mit einer Glasmurmel – wodurch sich der Eindruck manifestiert, dass es sich um Einblicke in eine Art von transluzenten Lebensformen handelt. Zudem sind abstrahierte Organe, Zellen und Körperfragmente mit sich wechselseitig überstülpenden Verbindungen und Verschmelzungen zu erkennen. Man ist versucht eine narrative Zusammenführung zwischen den traumhaften Szenen herzustellen, die nur mehr fragmentarisch unserer physischen Realität zugeordnet werden können. Für ihre Bildfindungen griff Sarah Ksieska auf Sammlerobjekte aus Glas und mittelalterliche anatomische Zeichnungen zurück, deren Vorstellungen vom Körperinneren, Ausgangspunkt für die fantastischen Bilderzählungen waren. Die Fundstücke wurden digital collagiert und bearbeitet, bevor die Skizzen in Ölmalereien übersetzt wurden. Ihre Basis und die Verankerung im Raum bildet das Trägermaterial Aluminium mit seiner glatten, seidig schimmernden Oberfläche. In allen Arbeiten zeigt sich die malerische Qualität im Besonderen bei der Darstellung von Stofflichkeit – funkelndes Glas, fein verzweigte Kapillaren, das Changieren zwischen Transparenz und Opazität. Daran orientiert sich die Farbpalette, die sich auf zarte Grau-, Rosa- und Grüntöne sowie auf Tonerde- und Ockerfarben besinnt. In Anlehnung an den leuchtenden Screen des Tablets wird besondere Sorgfalt auf die Setzung von Lichtpunkten und -quellen in der Serie gelegt. 

Obwohl wir immer tiefer in die Bildwelten eintauchen, bleiben wir in einem Zustand des Staunens und der Unsicherheit gefangen, über das, was wir wirklich sehen. Sarah Ksieska setzt dabei bewusst auf das Gefühl des Unheimlichen, das als eine physische Erfahrung wahrgenommen wird, um uns „mit dem eigenen menschlichen Körper und seinen mysteriösen, psychologischen oder psychosomatischen (Innen)welten zu verbinden“, so die Künstlerin. Die Ausstellung „Kuriosum“ ist eine Einladung zur kritischen und zugleich neugierigen Selbstbetrachtung und macht eine sensuelle Form von Weltverstehen erfahrbar.

Text: Marijana Schneider

While “Der Gläserne Mensch” was once an anatomical object of study, today it is also a metaphor for the examination of algorithms and the application of data mining processes. Is there someone out there who might know us better than we know ourselves? This question revolves around the interconnection of body and mind, as well as the demarcation of these entities, which can never be precisely determined. In the midst of this dilemma, Sarah Ksieska places her most recent paintings, which strive to illuminate the alienated relationship between internal and external realities. For this, the glass or the transparent body serves her as both a symbol and leitmotif. The enigmatic scenes star hybrid protagonists with humanoid features. Like reflections on spiritual and materialistic forms of existence, they navigate inner body worlds and surreal landscapes.

Sarah Ksieska’s work mediates between the observing outside world and the introspective gaze. “Verwirklichung” (Realization) depicts a glass horse in a shimmery, golden setting against a jet-black background. The animal contemplates its own shadow, which delineates an alien form. This uncanny self-encounter is complemented by further whimsical depictions: “Versprechen,” (Promise) shows the close-up of a grotesque creature holding a heart in its hands, “Globusgefühl,” (Globe-Feeling) is an enigmatic portrait of a woman in green with a glass marble. These works additionally manifest the impression that they are insights into some sort of translucent life form. Furthermore, we encounter abstracted organs, cells, and body fragments in merging, amalgamating states. We find ourselves tempted to create a narrative confluence between these dreamlike scenes, that are only fragmentarily set in our physical reality. In her painted inventions, Sarah Ksieska references collector’s items made of glass and medieval anatomical drawings – their concepts of interiors form the starting point for her fantastical renderings. These found objects are digitally collaged and edited and the resulting sketches are translated into oil paintings. Ksieska implements aluminum as a painting surface, which provides her compositions with a smooth, silky-shimmering base and anchors them in space. In all of the works, her painterly expertise is particularly evident in the depiction of materiality – from sparkling glass, and finely branched capillaries, to the oscillation between transparency and opacity. The color palette focuses on these areas, exploring delicate shades of gray, pink, and green, as well as ocher. Within the series, special care is taken in the placement of light points and sources, referencing the luminous screen of the tablet.

As we dive deeper and deeper into these visual worlds, we remain suspended in a state of wonder and uncertainty about what we see. Sarah Ksieska deliberately relies on the sense of the uncanny, which we perceive as a physical experience and, according to Ksieska, “connects our own human body to its mysterious, psychological or psychosomatic (inner) worlds.” The exhibition “Kuriosum” is an invitation to both critical and curious introspection and offers us a sensual way of understanding the world.

Text: Marijana Schneider

Translation: Anne Fellner